Ateliergeschichten: Seele und Würde

Gerade hat die Künstlerinnenvereinigung, in der ich Mitglied bin, eine Ausstellung aufgebaut.

Ich war im Hängeteam und jetzt weiß ich, wieviel Zeit und Nerven es kostet, mehr als hundert Arbeiten von über fünfzig Künstlerinnen zu jurieren, zusammenzustellen und an die Wände zu bringen bzw. zu stellen.

Als Besucher einer Ausstellung macht man sich gar nicht klar, welcher Aufwand dahinter steckt.

Ein Bild mussten wir leider wieder abhängen, der Hausherr fand es zu erschreckend. Diese Künstlerin wagt es doch tatsächlich, verstörende Figuren zu malen -  Bilder, die unter die Haut gehen und schwer zugänglich sind, vielleicht kann man ihre Arbeiten in der Intensität mit den Werken von Francis Bacon vergleichen.

Wahrscheinlich möchte sich das kaum jemand über das Sofa hängen, aber ist es nicht auch das Recht und die Aufgabe der Kunst im öffentlichen Raum mal zu provozieren, zu polarisieren ?

Solange nicht exessive Gewalt dargestellt wird, natürlich - und das war hier nicht der Fall.

Woanders wären diese Bilder große Kunst und gibt es nicht schon hübsche Wanddeko genug?

 

Bei solchen Ausstellungen ist es für mich auch immer aufschlussreich zu sehen, wie sich die Persönlichkeit der Künstlerinnen in ihren Arbeiten spiegelt. Dabei kann ich feststellen, das ich manchmal Bilder toll finde, die Künstlerin aber unsymphatisch oder umgekehrt.

Wenn beides zusammenpasst ist es mir lieber.

Ich habe zum ersten mal drei Schmuckstücke extra für diese Ausstellung gearbeitet und versucht mich frei zu machen von der Vorstellung, die Arbeiten müssen alltagstauglich und verkäuflich sein.

Die Tragbarkeit soll natürlich weiter ein wesentliches Merkmal bleiben, für die Vitrine will ich nicht arbeiten.

Ich sehe auf Instagram und Pinterest massenweise tollen "Autorenschmuck" - wunderschöne kleine Skulpturen, aber untragbar.

Ich frage mich oft, ob es dafür überhaupt Käuferinnen gibt, denn es ist eine Sache, das schön zu finden, eine andere, es tragen zu wollen.

Na ja, vielleicht kaufen diese Schmuckkünstler sich ihre Arbeiten alle gegenseitig ab.

 

Ich stelle jedenfalls fest, dass selbst die meisten Künstlerinnen, die ich kenne, keinen großen Wert auf Mode, geschweige denn außergewöhnlichen Schmuck legen.

Das finde ich seltsam, denn gerade hier würde ich doch einen besonderen Sinn für Ästhetik vermuten - aber ihr Interesse beschränkt sich auf die Bildende Kunst.

Je mehr Einblick ich in diesen Kunstzirkus bekomme, desto ambivalenter finde ich diese Blase. Einerseits sauge ich gern jede Inspiration auf, andererseits finde ich diese Zusammenrottung  mehr oder weniger anstrengender Selbstverwirklicherinnen oft etwas nervig.

   

Aber nicht langweilig!

 

Mehr kann man nicht verlangen...

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Kommentare: 2
  • #1

    Angelika Krauß (Donnerstag, 16 Januar 2020 23:42)

    Hallo Silke,
    ich bin schon gespannt auf deinen nächsten Beitrag hier, was soviel heißt wie: ich habe alles bisher sehr gern gelesen. Beobachtungen ernst und doch leichtfüßig mit Witz reflektiert - eine gute Mischung, das gefällt mir. Und dann habe ich da noch ein paar höchst interessante Schmuckstücke von dir auf Insta gesehen :-)
    Viele Grüße von der Porzellan-Kollegin - ciao, bis bald! Angelika

  • #2

    Silke Erdtmann (Freitag, 17 Januar 2020 08:54)

    Vielen Dank, Angelika, für deinen netten Kommentar!
    Das motiviert mich, wieder was zu schreiben. Gar nicht so einfach, die richtige Balance zwischen zu banal, zu politisch, zu persönlich aber ehrlich und interessant zu finden.
    Macht mir aber Spaß und mal Resonanz zu bekommen ist toll.